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So oft sie konnten, trafen sie sich in kleinen Gruppen (3-5 Mann), manchmal auch mit anderen illegalen Wiesbadener Nerother-[[Wandervogel]]-Gruppen, in den elterlichen Wohnungen zum Erzählen, Pläneschmieden und Singen, außerdem auf häufigen Wochenendfahrten. Dieser illegalen bündischen Gruppe gehörte auch [[Albrecht Stempel]] (brecht) und [[Alfred Zschiesche]] (Alf) an, mit dem sich Kurt Heerklotz bald eng anfreundete und von dem er das anspruchsvolle Gitarrenspiel und das Verfassen eigener Lieder und eigener Liederweisen erlernte. Auch [[Werner Helwig]] war eine kurze Zeit Gast in dieser Wiesbadener Gruppe. | So oft sie konnten, trafen sie sich in kleinen Gruppen (3-5 Mann), manchmal auch mit anderen illegalen Wiesbadener Nerother-[[Wandervogel]]-Gruppen, in den elterlichen Wohnungen zum Erzählen, Pläneschmieden und Singen, außerdem auf häufigen Wochenendfahrten. Dieser illegalen bündischen Gruppe gehörte auch [[Albrecht Stempel]] (brecht) und [[Alfred Zschiesche]] (Alf) an, mit dem sich Kurt Heerklotz bald eng anfreundete und von dem er das anspruchsvolle Gitarrenspiel und das Verfassen eigener Lieder und eigener Liederweisen erlernte. Auch [[Werner Helwig]] war eine kurze Zeit Gast in dieser Wiesbadener Gruppe. | ||
Version vom 23. April 2009, 06:58 Uhr
Kurt Heerklotz, (*27.10.1920 in Wiesbaden), Fahrtenname Keh, ist ein Liedschöpfer der Bündischen Jugend aus dem Nerother Wandervogel.
Lebenslauf und Geschichtliches
Kurt Heerklotz, Fahrtenname Keh, wurde in Wiesbaden geboren. Er ging dort auch zur Schule. Mit 10 Jahren kam er in Kontakt mit der Jugendbewegung. Wandern, Singen, Abkochen und Übernachten im Zelt lernte er in den Jahren 1930-33 in einer evangelischen Jugendgruppe in Wiesbaden. Die beiden Führer dieser Gruppe gehörten damals dem Bund Scharnhorst an.
1933 wurde der 13-jährige Kurt von einem NS-Jungvolk-Führer für dessen freiwillig gegründeten NS-Jungzug geworben, dessen Führer weitgehend ehemalige Bündische waren. Der Jungzugführer gehörte vorher dem Bund Geusen an, der Fähnleinführer kam aus der dj.1.11 und andere Führer waren ehemalige Nerother Wandervogel.
Offiziell wurde eine Zeitlang in diesem Jungvolk-Zug der übliche Dienst getan, nämlich Exerzieren und Aufmärsche mit wehenden Fahnen und Wimpeln. Es wurden zusätzlich aber auch zünftige Fahrten in die nähere und weitere Umgebung von Wiesbaden gemacht.
Parallel dazu entstand ein Freundeskreis mit überwiegend ehemaligen Nerothern und solchen ehemaligen Bündischen, die nicht zum Jungvolk gegangen waren. Äußerliche Merkmale dieses bündischen Freundeskreises waren ein besonderer Erkennungspfiff („Nach Süden nun sich lenken...") und ein kariertes Hemd. Wer es sich leisten konnte, ließ sich kurze, blaue Piratenhose von einem der Väter (einem Schneidermeister) nähen und beschaffte sich Bundschuhe sowie weiße Zopfmuster-Kniestrümpfe. Auf Fahrt ging es mit dem Affen (Tornister), der Rucksack war verpönt. Untereinander wurden Nerother-Herolde und andere Jugendbundschriften, z.B. „Der Eisbrecher" und die „Die Kiefer" usw. ausgetauscht. Über einen befreundeten Buchhändler wurden die Liederbücher des Günther Wolff Verlages bezogen.
Nach einiger Zeit wurden die auf freiwilliger Basis entstandenen Jungvolk-Einheiten aufgelöst und eine straffere regionale Neugliederung vorgenommen. Das war der Zeitpunkt, dass Kurt und seine Freunde nach und nach aus dem Jungvolk austraten und zur Tarnung dem Reichskolonialbund beitraten.
Illegales Gruppenleben
So oft sie konnten, trafen sie sich in kleinen Gruppen (3-5 Mann), manchmal auch mit anderen illegalen Wiesbadener Nerother-Wandervogel-Gruppen, in den elterlichen Wohnungen zum Erzählen, Pläneschmieden und Singen, außerdem auf häufigen Wochenendfahrten. Dieser illegalen bündischen Gruppe gehörte auch Albrecht Stempel (brecht) und Alfred Zschiesche (Alf) an, mit dem sich Kurt Heerklotz bald eng anfreundete und von dem er das anspruchsvolle Gitarrenspiel und das Verfassen eigener Lieder und eigener Liederweisen erlernte. Auch Werner Helwig war eine kurze Zeit Gast in dieser Wiesbadener Gruppe.
Im Sommer wurde das illegale Gruppenleben teilweise aufs Wasser verlegt. Die Mitglieder beschafften sich Paddelboote und fuhren zum Zelten zu den Rheinauen mit ihren urwaldähnlichen Baumbeständen.
Ferien und Urlaub wurden genutzt zu Trampfahrten im In- und Ausland. Durch einen Verbindungsmann gab es dafür Reisepass und Passverlängerung ohne eine sonst notwendige Unbedenklichkeitsbescheinigung der HJ.
Trotz großer Vorsicht blieb es nicht aus, dass sie einmal von einem HJ-Streifendienst erwischt wurden. So stolperten sie einmal von einer Übernachtung auf einer Burgruine im Lahntal hinunter auf die Landstraße und landeten direkt vor dem Cabriolet einer HJ-Streife. Es erfolgte ein kurzes Verhör, Aufnahme der Personalien und Beschlagnahmung der Fahrtenmesser. Gegen die Beschlagnahmung der Klampfe von Kurt wehrten sie sich so lautstark, dass eine Schar Kirchgänger aufmerksam wurde und Partei für sie ergriff. Der HJ-Führer gab die Klampfe zwar zurück, riss aber vorher die blau-roten Quasten von der Gitarre ab. Dann fuhr er mit dem Hinweis davon, dass die Fahrtenmesser auf der Gebietsführung in Wiesbaden wieder abgeholt werden könnten. Die Gruppe verzichtete aber klugerweise darauf, wusste sie doch, dass andere vor ihnen dort Schläge statt Fahrtenmesser bekommen hatten.
Verfolgung
1937 gab es bei den Älteren dieser illegalen Gruppe Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen von bündischer Literatur und von sonstigen bündischen Utensilien. Einige, die als die Anführer galten, wurden in Untersuchungshaft genommen. Im Oktober 1937 kam es zu einem Prozess vor dem Sondergericht Frankfurt/M., u. a. gegen 17 Ältere aus Wiesbaden wegen bündischer Umtriebe. Es war ein Wunder, dass das Strafmaß gnädig ausfiel. Die verhängten Freiheitsstrafen galten als durch die U-Haft abgegolten. Die Verteidiger hatten sogar den Mut, im Plädoyer zu sagen, dass die HJ sich glücklich schätzen könne, wenn sie solch ungewöhnlich unternehmungslustige junge Menschen als Führungskräfte gewinnen könnte.
Einige Wiesbadener Illegalen, darunter Kurt Heerklotz, ließen sich aber nicht einschüchtern. 1938 gingen sie zu dritt auf Auslandsfahrt nach Ungarn und Jugoslawien. Über Italien und die Schweiz wurde zurück getrampt. 1939 ging es noch einmal zu viert nach Frankreich bis in die niederen Pyrenäen.
1938 wurde in einem kleinen Taunusdorf ein Raum angemietet, den sie als Landheim einrichteten und benutzten, bis sie zum Kriegsdienst einrücken mussten.
Ergänzend ist noch zu erwähnen, dass Alf Zschiesche als Mitglied dieser illegalen Wiesbadener Nerother Wandervogel Gruppe 1936 noch zusammen mit Otto Leis (Ottsch) das Liederheft „Wenn die bunten Fahnen wehen" beim Verlag Günther Wolff, Plauen i. V., herausgab (Ein großer Teil der Bücher wurde von der Gestapo beschlagnahmt). Die Illustration stammte von Fritz (Fips) Bernecker, der ebenfalls diesem Kreis angehörte. Fips hat für das Heft 3 eigene Lieder beigesteuert. Der Text des später von Alf vertonten Liedes „Auf vielen Straßen dieser Welt" ist von Björn Behnke, der 1937 als einer der führenden Älteren in Untersuchungshaft kam mit dem Vorwurf der bündischen Umtriebe
Kurth Heerklotz und Alf Zschiesche erlitten im 2. Weltkrieg dasselbe Schicksal: Beide verloren ein Bein. Bei Kurt Heerklotz wurde auch noch das zweite Bein stark beeinträchtigt. Seine spätere Frau rettete Kurt 1944 trotz Bomben und Tieffliegerbeschuss als Schwerverwundeten vor russischer Kriegsgefangenschaft.
Trotz ihrer schweren Verwundungen haben Kurt Heerklotz und Alfred Zschiesche nicht der Wandervogelidee entsagt, sondern haben sich ihr innerlich weiterhin fest verbunden gefühlt und haben ihr durch die Pflege des Singens und die Herausgabe von Liedersammlungen zu nützen versucht. Wenn auch Alfred Zschiesche führend blieb, so hat auch Kurt Heerklotz seinen Beitrag zur bündischen Liedkultur geleistet.
Die Beiden halfen auch nach dem Kriege mit, in Wiesbaden neue Nerother-Gruppen zu gründen. Alf Zschiesches Singkreis war der Kristallisationspunkt der Nerother Bundesgruppe Wiesbaden.
Kurt Heerklotz fand dann eine Stelle in der Stadtverwaltung Wiesbaden. Bis 1977 lebten seine Frau und er von seinem Gehalt als Verwaltungsbeamter, dann wurde er pensioniert und widmete sich der weiteren Vertonung von bündisch geeigneten Texten oder der Komposition eigener Lieder. Zu ca. 100 Liedern hat Kurt Heerklotz entweder die Melodie oder Text und Melodie geschaffen. Alf Zschiesche fertigte zu einer Anzahl dieser Lieder Gitarren-Begleitsätze an. Er war für Kurt ein Vorbild und gab manchen guten Rat für dessen Liederschaffen.
Dementsprechend sind die Lieder von Kurt Heerklotz keine bündischen Gassenhauer, sondern anspruchsvolle Lieder im Stile der frühen bündischen Balladen.
Einige bekannte Lieder / Vertonungen
- Es ruft und lockt mit Zaubermacht das Fernweh in die Weite...
- Von Norden klingt das herbe Lied...
- Wie Krieger in Zinnober steh’n Bäume auf der Wacht
- Habt ihr gehört von Roll der Stadt...
- Es lagen einst 3 Knaben zur Ruh am Waldesrand...
- Meine alten Stiefel tragen...
- So lieblich lacht am Morgen der goldne Sonnenschein...
- Freunde, der Tag steht am Rande...
- Frau Fortuna mit ihrem Horn...
- Hoch am Himmel fährt der Große Wagen sacht...
- Ein Jäger sang vor seinem Haus...
- Die Heidengötter sitzen stumm...
- Kein Tröpflein mehr im Becher...
- Und als ich in meinen Keller stieg, da saßen sie bei den Flaschen...