Gustav Wyneken: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Bild:Wyneken.jpg|thumb|Gustav Wynecken auf [[Burg Waldeck]] um 1930]]'''Dr. Gustav Adolf Wyneken''' (* 19. März 1875, † 8. Dezember 1964) war ein zu Lebzeiten besonders umstrittener  Reformpädagoge, der viele neue pädagogische Ideen, unter anderem die der [[Jugendburg]], schuf und maßgeblich bei der Formulierung der [[Meißner-Formel]] auf dem ''Ersten Freideutschen Jugendtag'' mitwirkte. Als charismatische Persönlichkeit kam er immer wieder in Konflikte mit anderen Pädagogen, Behörden und Eltern.
 
[[Bild:Wyneken.jpg|thumb|Gustav Wynecken auf [[Burg Waldeck]] um 1930]]'''Dr. Gustav Adolf Wyneken''' (* 19. März 1875, † 8. Dezember 1964) war ein zu Lebzeiten besonders umstrittener  Reformpädagoge, der viele neue pädagogische Ideen, unter anderem die der [[Jugendburg]], schuf und maßgeblich bei der Formulierung der [[Meißner-Formel]] auf dem ''Ersten Freideutschen Jugendtag'' mitwirkte. Als charismatische Persönlichkeit kam er immer wieder in Konflikte mit anderen Pädagogen, Behörden und Eltern.
 
==Lebenslauf==
 
==Lebenslauf==
''Gustav Wyneken'' wurde am 19. März 1875 in Stade geboren. Nach der Schule studierte er von 1894 bis 1897 in Berlin Theologie und Philologie und erhielt 1898 den Doktortitel. 1900 heiratete er Luise Dammermann und begann seine Lehrertätigkeit in den Landerziehungsheimen Ilsenburg und Haubinda. Dort verwarf er sich mit Hermann Lietz, dem Gründer der Landschulheime und verließ die Landerziehungsheime. 1906 begann er zusammen mit Paul Geheeb, August Halm und Martin Luserke ein neues reformpädagogisches Schulprojekt bei Wickersdorf/Thüringen. Dort sollten Ideen wie Formung des Menschen im Sinne einer Weltanschauung, Kameradschaft und Führertum zwischen Lehrer und Schüler, Koedukation, Sexualerziehung und schwerpunktlich künstlerische wie musische Erziehung umgesetzt werden. 1910 wurde er nach vielen Anfeindungen vom Kultusministerium entlassen. Er ließ sich von seiner Frau scheiden und wurde Vorsitzender des "Bundes freier Schulgemeinschaften" und Herausgeber von dessen Zeitung. In das selbe Jahr fällt auch die Idee der [[Jugendburg]]. Ab 1912 stand er in Kontakt zur [[Jugendbewegung]] und schuf den Begriff der ''Jugendkultur''. 1913 arbeitete er maßgeblich an der Formulierung der [[Meißner-Formel]] des ''Ersten Freideutschen Jugendtages'' auf dem Hohen Meißner mit. Dort stellte er einen Führungsanspruch, der ihm verwehrt wurde. 1918 war Wyneken für kurze Zeit in Berlin und in Bayern im Kultusministerium beschäftigt und initiierte mehrere Erlasse für die Erneuerung der Schule, wie Schülermitbestimmung oder Aufhebung des Religionszwanges. 1919 wurde wieder Leiter in Wickersdorf, musste aber bereits 1920 wieder den Dienst quittieren, da er angeblich zwei Schüler nackt umarmt hatte, was ihm als sexueller Missbrauch ausgelegt wurde. Er wurde deswegen zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Nach seiner Entlassung lebte als Schriftsteller und verfolgte den Aufbau der neuentstehenden [[Jugendburg]] [[Waldeck]]. 1925 wurde er Wirtschaftsleiter in Wickersdorf, durfte aber nicht unterrichten. 1930 war er zu Gast beim [[Nerother Wandervogel]], wo er zusammen mit [[Karl Fischer]] der Einweihung des Säulenhauses auf [[Burg Waldeck]] beiwohnte. 1931 musste er wegen weiterer massiver Anfeindungen endgültig Wickersdorf verlassen und zog nach Berlin, 1934 nach Göttingen. Er versuchte vergeblich bei den Nationalsozialisten eine Anstellung in der Schuladministration zu finden. 1946 versuchte er erneut, die Leitung von Wickersdorf zu übernehmen, was ebenso, wie seine Versuche als Schriftsteller reformpädagogische Ideen wiederzubeleben, scheiterte. Am 8. Dezember 1964 starb er in Göttingen.
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''Gustav Wyneken'' wurde am 19. März 1875 in Stade geboren. Nach der Schule studierte er von 1894 bis 1897 in Berlin Theologie und Philologie und erhielt 1898 den Doktortitel. 1900 heiratete er Luise Dammermann und begann seine Lehrertätigkeit in den Landerziehungsheimen Ilsenburg und Haubinda. Dort verwarf er sich mit Hermann Lietz, dem Gründer der Landschulheime und verließ die Landerziehungsheime. 1906 begann er zusammen mit Paul Geheeb, August Halm und Martin Luserke ein neues reformpädagogisches Schulprojekt bei Wickersdorf/Thüringen. Dort sollten Ideen wie Formung des Menschen im Sinne einer Weltanschauung, Kameradschaft und Führertum zwischen Lehrer und Schüler, Koedukation, Sexualerziehung und schwerpunktlich künstlerische wie musische Erziehung umgesetzt werden. 1910 wurde er nach vielen Anfeindungen vom Kultusministerium entlassen. Er ließ sich von seiner Frau scheiden und wurde Vorsitzender des "Bundes freier Schulgemeinschaften" und Herausgeber von dessen Zeitung. In das selbe Jahr fällt auch die Idee der [[Jugendburg]]. Ab 1912 stand er in Kontakt zur [[Jugendbewegung]] und schuf den Begriff der ''Jugendkultur''. 1913 arbeitete er maßgeblich an der Formulierung der [[Meißner-Formel]] des ''Ersten Freideutschen Jugendtages'' auf dem [[Hohen Meißner]] mit. Dort stellte er einen Führungsanspruch, der ihm verwehrt wurde. 1918 war Wyneken für kurze Zeit in Berlin und in Bayern im Kultusministerium beschäftigt und initiierte mehrere Erlasse für die Erneuerung der Schule, wie Schülermitbestimmung oder Aufhebung des Religionszwanges. 1919 wurde wieder Leiter in Wickersdorf, musste aber bereits 1920 wieder den Dienst quittieren, da er "in nacktem Zustand" zwei Schüler umarmt hatte. Er wurde deswegen zu 12 Monaten Gefängnis verurteilt, die er jedoch nur zum Teil verbüßen musste. Nach seiner Entlassung lebte als Schriftsteller und verfolgte den Aufbau der neuentstehenden [[Jugendburg]] [[Waldeck]]. 1925 wurde er Wirtschaftsleiter in Wickersdorf, durfte aber nicht unterrichten. 1930 war er zu Gast beim [[Nerother Wandervogel]], wo er zusammen mit [[Karl Fischer]] der Einweihung des Säulenhauses auf [[Burg Waldeck]] beiwohnte. 1931 musste er wegen weiterer massiver Anfeindungen endgültig Wickersdorf verlassen und zog nach Berlin, 1934 nach Göttingen. Er versuchte vergeblich bei den Nationalsozialisten eine Anstellung in der Schuladministration zu finden. 1946 versuchte er erneut, die Leitung von Wickersdorf zu übernehmen, was ebenso, wie seine Versuche als Schriftsteller reformpädagogische Ideen wiederzubeleben, scheiterte.  
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Am 8. Dezember 1964 starb er im Alter von 89 Jahren in Göttingen.
  
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Der Nachlass von Gustav Wyneken befindet sich im [[Archiv der deutschen Jugendbewegung]] auf [[Burg Ludwigstein]].
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== Gedenken ==
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Ein Gedenkstein auf dem vom [[Nerother Wandervogel]] initiierten [[Ehrenhain der deutschen Jugendbewegung]] für Gustav Wyneken ist auf [[Burg Waldeck]].
 
==Literatur==
 
==Literatur==
 
* ''Der Gedankenkreis der freien Schulgemeinde, Dem Wandervogel gewidmet'', Matthes Leipzig, 1913
 
* ''Der Gedankenkreis der freien Schulgemeinde, Dem Wandervogel gewidmet'', Matthes Leipzig, 1913
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* ''Abschied vom Christentum''. Rowohlt-Taschenbuch-Verlag, Reinbek bei Hamburg (ungekürzte Ausg.), 1970 oder Szczesny Verlag München, 1963
 
* ''Abschied vom Christentum''. Rowohlt-Taschenbuch-Verlag, Reinbek bei Hamburg (ungekürzte Ausg.), 1970 oder Szczesny Verlag München, 1963
  
[[Kategorie:Geschichte]]
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[[Kategorie:Geschichte|Wyneken, Gustav]]
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[[Kategorie:Jugendbewegung|Wyneken, Gustav]]

Aktuelle Version vom 8. Februar 2012, 09:45 Uhr

Gustav Wynecken auf Burg Waldeck um 1930

Dr. Gustav Adolf Wyneken (* 19. März 1875, † 8. Dezember 1964) war ein zu Lebzeiten besonders umstrittener Reformpädagoge, der viele neue pädagogische Ideen, unter anderem die der Jugendburg, schuf und maßgeblich bei der Formulierung der Meißner-Formel auf dem Ersten Freideutschen Jugendtag mitwirkte. Als charismatische Persönlichkeit kam er immer wieder in Konflikte mit anderen Pädagogen, Behörden und Eltern.

Lebenslauf

Gustav Wyneken wurde am 19. März 1875 in Stade geboren. Nach der Schule studierte er von 1894 bis 1897 in Berlin Theologie und Philologie und erhielt 1898 den Doktortitel. 1900 heiratete er Luise Dammermann und begann seine Lehrertätigkeit in den Landerziehungsheimen Ilsenburg und Haubinda. Dort verwarf er sich mit Hermann Lietz, dem Gründer der Landschulheime und verließ die Landerziehungsheime. 1906 begann er zusammen mit Paul Geheeb, August Halm und Martin Luserke ein neues reformpädagogisches Schulprojekt bei Wickersdorf/Thüringen. Dort sollten Ideen wie Formung des Menschen im Sinne einer Weltanschauung, Kameradschaft und Führertum zwischen Lehrer und Schüler, Koedukation, Sexualerziehung und schwerpunktlich künstlerische wie musische Erziehung umgesetzt werden. 1910 wurde er nach vielen Anfeindungen vom Kultusministerium entlassen. Er ließ sich von seiner Frau scheiden und wurde Vorsitzender des "Bundes freier Schulgemeinschaften" und Herausgeber von dessen Zeitung. In das selbe Jahr fällt auch die Idee der Jugendburg. Ab 1912 stand er in Kontakt zur Jugendbewegung und schuf den Begriff der Jugendkultur. 1913 arbeitete er maßgeblich an der Formulierung der Meißner-Formel des Ersten Freideutschen Jugendtages auf dem Hohen Meißner mit. Dort stellte er einen Führungsanspruch, der ihm verwehrt wurde. 1918 war Wyneken für kurze Zeit in Berlin und in Bayern im Kultusministerium beschäftigt und initiierte mehrere Erlasse für die Erneuerung der Schule, wie Schülermitbestimmung oder Aufhebung des Religionszwanges. 1919 wurde wieder Leiter in Wickersdorf, musste aber bereits 1920 wieder den Dienst quittieren, da er "in nacktem Zustand" zwei Schüler umarmt hatte. Er wurde deswegen zu 12 Monaten Gefängnis verurteilt, die er jedoch nur zum Teil verbüßen musste. Nach seiner Entlassung lebte als Schriftsteller und verfolgte den Aufbau der neuentstehenden Jugendburg Waldeck. 1925 wurde er Wirtschaftsleiter in Wickersdorf, durfte aber nicht unterrichten. 1930 war er zu Gast beim Nerother Wandervogel, wo er zusammen mit Karl Fischer der Einweihung des Säulenhauses auf Burg Waldeck beiwohnte. 1931 musste er wegen weiterer massiver Anfeindungen endgültig Wickersdorf verlassen und zog nach Berlin, 1934 nach Göttingen. Er versuchte vergeblich bei den Nationalsozialisten eine Anstellung in der Schuladministration zu finden. 1946 versuchte er erneut, die Leitung von Wickersdorf zu übernehmen, was ebenso, wie seine Versuche als Schriftsteller reformpädagogische Ideen wiederzubeleben, scheiterte. Am 8. Dezember 1964 starb er im Alter von 89 Jahren in Göttingen.

Der Nachlass von Gustav Wyneken befindet sich im Archiv der deutschen Jugendbewegung auf Burg Ludwigstein.

Gedenken

Ein Gedenkstein auf dem vom Nerother Wandervogel initiierten Ehrenhain der deutschen Jugendbewegung für Gustav Wyneken ist auf Burg Waldeck.

Literatur

  • Der Gedankenkreis der freien Schulgemeinde, Dem Wandervogel gewidmet, Matthes Leipzig, 1913
  • Schule und Jugendkultur, Diederichs Jena, 1914
  • Schule und Jugendkultur. E. Diederichs Vlg. Jena, 1918
  • Der Kampf für die Jugend. Gesammelte Aufsätze. Eugen Diederichs Jena, 1919
  • Die neue Jugend. Ihr Kampf um Freiheit und Wahrheit in Schule und Elternhaus in Religion und Erotik, Steinicke München, 1919
  • Der europäische Geist. Gesammelte Aufsätze über Religion und Kunst. Lauenburg, 1921
  • Eros. Lauenburg 1921.
  • Gustav Wynecken (Herausgeber): Tao Te King, Hannover Paul Steegemann, 1923
  • Die grüne Fahne. Monatsschrift für Jugendliche Weltanschauung. Ernst Oldenburg Verlag, Leipzig, 1. Jahrg., 1924
  • Revolution und Schule, Klinkhardt Leipzig, 1924
  • Weltanschauung. 2. Auflage, München, 1947.
  • Was können wir tun? Grundlinien einer freideutschen Politik, Saal Hamburg, 1948
  • Jugend und Staat. Ulm, Gesellschaft für Bürgerrechte, 1951
  • Acht Pastoralbriefe wider d. hl. Schlendrian. 1. Aufl., Verl. f. Geistesfreiheit Hannover, 1958
  • Gedanken und Vorschläge zur geplanten Gedenkfeier der Freideutschen Jugend auf dem Hohen Meißner im Jahre 1963. dipa-Verl. Frankfurt/ Main, 1962
  • Jugend!. Philister über Dir! dipa-VerlagFrankfurt/Main, 1963
  • Abschied vom Christentum. Rowohlt-Taschenbuch-Verlag, Reinbek bei Hamburg (ungekürzte Ausg.), 1970 oder Szczesny Verlag München, 1963