Fahrtenlied

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Ein Fahrtenlied ist ein Lied, das von Pfadfindern, Wandervögeln oder anderen Angehörigen der deutschen Jugendbewegung gesungen wird. Im engsten Sinne bezeichnet es nur diejenigen Lieder, die von Angehörigen dieser Gemeinschaften für diese Gemeinschaften geschrieben und dort gesungen werden, im weitesten Sinne alles, was auf Wanderungen oder Fahrradtouren gesungen wird.

Das Wort ist vom Begriff Fahrt abgeleitet, der bei Pfadfindern und Wandervögeln eine Wanderung oder im weiteren Sinne das Unterwegssein in der Natur bezeichnet.

Liedinhalte

Die Inhalte des Liedgutes sind durch die für die Jugendbewegung typischen Erlebnisinhalte und die Geschichte der Jugendbewegung geprägt.

Sie umfassen alle Erlebnisinhalte, die für das gemeinsame auf Fahrt gehen typisch sind, wie Naturerleben, gemeinsames Wandern, das Singen selbst, gegenseitige Unterstützung und typische Erlebnisse beim Umgang mit Außenstehenden. Außerdem kommen Lieder über Bevölkerungsgruppen und Subkulturen vor, die eine Lebensweise haben, die an das Fahrtenleben erinnert: Zigeuner, Wanderburschen (Handwerk).

Auf Auslandfahrten wurden Lieder der besuchten Länder in das Liedgut der Bünde übernommen. So gehören zum Fahrtenliedschatz der Bünde Lieder aus den beliebten Fahrtenländern Norwegen, Schweden und Finnland, sowie in der Zeit der Weimarer Republik Russland und ebenso Lieder über diese Länder.

Entwicklung des Liedschatzes

Der Zupfgeigenhansl

Um 1900 entdeckte die Wandervogelbewegung das Volkslied neu. Hans Breuer veröffentlichte 1909 mit der Volksliedsammlung Zupfgeigenhansl das Liederbuch der Jugendbewegung. 1914 erschien die 10. und endgültige Auflage dieses Werkes, das bis 1933 in einer Auflage von weit über einer Million Exemplaren gedruckt und verbreitet wurde. Nach dem ersten Weltkrieg brachen die Bemühungen dieser Bewegung zunächst zusammen.

Die zweitwichtigste Quelle der bündischen Lieder ist interessanterweise relativ unbekannt – das Allgemeine Deutsche Kommersbuch. In ihrer Anfangsphase griffen die Wandervögel das Liedgut der Studenten auf. So sind beispielsweise viele Soldatenlieder, die um 1900 bekannt waren, in das bündische Liedgut aufgenommen worden, später entstandene dagegen nicht. „Sie haben Tod und Verderben gespien“ ist ein Beispiel.

In den 1910er Jahren waren die Gedichte Börries von Münchhausens Allgemeingut. Sie wurden vielfach vertont, unter anderem von Robert Götz das Lied „Jenseits des Tales“. Auch die Gedichte von Klabund wurden oft vertont. Viele Lieder aus der Zeit gab es mit verschiedenen Melodien. Die Verbreitung erfolgte mündlich. Überhaupt kann man die Liedgeschichte nicht allein an den Büchern festmachen.

Fritz Jöde vertonte „Der Kleine Rosengarten“ und „Auf der Lüneburger Heide“ von Hermann Löns.

Weimarer Republik

Nach dem Krieg, in dem zahlreiche Wandervögel gefallen sind, gab es einen Neuanfang. Die Bündische Jugend im engeren Sinn entstand, die viele Lieder selbst schuf. Wichtige Bücher waren Der Spielmann des Quickborn und Kameraden Singt! von Robert Oelbermann. Der Jugendmusikpädagoge Walther Hensel hatte seine Hochzeit mit dem vielzitierten Singenden Quell und Stampedemi. Über die Pfadfinder fand der Jungvolker Verbreitung.

Bekannt sind die Lieder der Eisbrechermannschaft aus der Deutschen Jungenschaft. Im damaligen Deutschland hatte man die Kämpfe in Russland zwischen den Weißen und den Roten aufmerksam verfolgt. Es entstanden zahllose Pseudo-Kosakenlieder und Eindeutschungen, aus gleicher Quelle auch die Soldatenchöre der Eisbrechermannschaft.

Eberhard Koebel mit dj.1.11 regte die Nordland- und Russlandromantik an, die man heute noch in der Bündischen Jugend insbesondere im Liedgut wiederfindet. dj.1.11 führte außerdem die Kohte, die Jurte und die Jungenschaftsbluse in die bündische Jugend ein.

Drittes Reich und zweiter Weltkrieg

Dann warf der zweite Weltkrieg seine Schatten. Horch auf Kamerad und die Weiße Trommel von Hans Baumann erschienen. Hans Baumanns Lieder waren populär. Er traf den Nerv der Zeit und wurde von Bündischen wie von Nazis gleichermaßen vereinnahmt und nachher nicht verfemt. Das Liederbuch des sauerländischen Gebirgsvereins Unsere Lieder von Fritz Sotke war sehr verbreitet. Die Lieder der Südlegion entstanden noch in der Verbotszeit, auch Aus grauer Städte Mauern von Robert Götz. Die kirchlichen Gruppen wurden im Dritten Reich als letzte verboten und hatten daher am längsten die Möglichheit, Liederbücher zu drucken. Das Singeschiff und das Liederbuch St. Georg sind Standardwerke.

Nachkriegszeit

Nach dem Zweiten Weltkrieg geschah ein Paradigmenwechsel. Elvis Presley änderte alles. Unter den Jugendlichen waren „Bündische“ eine immer kleiner werdende Subkultur. Das Liedgut wandelte sich; u.a. wurde das Liedrepertoire auch stärker durch ausländische Lieder (z. B. durch die Übersetzungen von Walter Scherf, durch die Bürgerrechts- und Folklorebewegung) beeinflusst und erweitert.

Die bei ihm verbliebenen Nutzungsrechte brachte Ludwig Voggenreiters Bruder Heinrich 1949 in den in Bad Godesberg neugegründeten Voggenreiter Verlag ein. Dort erschien 1952 Der Turm, eine 1966 abgeschlossene Liedersammlung, die von Helmut König (helm) u.a. in 10 Ausgaben herausgegeben wurde und für viele Jahre das Standardwerk für bündisches Liedgut war. Es ist sein Verdienst, die vielen Lieder, die in der Verbotszeit nicht gedruckt werden konnten, zu sammeln und zu dokumentieren.

Horst Fritsch gab ab 1948 im Südmarkverlag – zunächst in Loseblattform – die Liederblätter deutscher Jugend heraus, die – anschließend in illustrierten Heftausgaben – über Jahrzehnte fortgesetzt wurden und kontinuierlich neue Impulse für die Liedkultur brachten.

Später fanden die Liederbücher Der Schwarze Adler und Liederbock vielfach Verwendung. Es waren eher Sammlungen bewährter alter Lieder. In diesen Jahrzehnten entstanden zahlreiche weitere Liedsammlungen, die das Singen in den Bünden beeinflusste, z. B. die Hefte Weiße Straßen (1949) aus Kreisen der Jungenschaft, Lieder von Mac von Erik Martin und Der Silberspring aus dem Zugvogel. Eine ausgezeichnete Zusammenstellung neuer und alter bündischer Lieder ist der 2007 erschienene Codex Patomomomensis. Dieses Liederbuch weist auch für die meisten Lieder eine sorgfältig recherchierte Herkunftsgeschichte auf.

Gelegenheiten, bei denen gesungen wird

Je nach Bund und Gruppe wird unterschiedlich häufig gesungen. In Bünden, in denen das Singen eine große Rolle spielt, kann im Tagesablauf zum Beispiel zu folgenden Gelegenheiten gesungen werden: Morgens singt eine Gruppe im Zeltlager zum Wecken. Sobald alle aufgestanden und angezogen sind, findet eine Morgenfeier statt, bei der man sich im Kreis versammelt; dabei wird ebenfalls gesungen, manchmal werden auch das eine oder andere Gedicht oder ein paar kurze Gedanken vorgetragen. Zusätzlich gibt es zur Einleitung und als Abschluss jeder Mahlzeit ein Lied. Wartezeiten werden durch spontanes Singen überbrückt. Schließlich versammeln sich abends alle am Lagerfeuer und singen noch stundenlang gemeinsam. Außerdem wird am Anfang und Ende von Veranstaltungen, Fahrten und Gruppenstunden sowie zu feierlichen Gelegenheiten gesungen. Wenn man von Außenstehenden Hilfe erhielt, bekommen sie zum Dank ein Lied vorgetragen.

Bei welchen Gelegenheiten gesungen wird, variiert von Bund zu Bund erheblich, doch zumindest das abendliche gemeinsame Singen und das Singen zu feierlichen Gelegenheiten gehören bei allen Pfadfindern, Wandervögeln und sonstigen Bündischen und jugendbewegten Gruppierungen dazu.

Eine besondere Rolle in den Bünden spielen sogenannte „Singewettstreite“. Hierbei treten Gruppen zu einem Wettbewerb mit Liedvorträgen an. Der älteste und bekannteste überbündische Singewettstreit ist der Hamburger Singewettstreit. Während er zu seinem Beginn (1955) von jungenschaftlichen Bünden dominiert wurde, prägen heute pfadfinderische Gruppen die jährliche Veranstaltung im „Audimax“ der Hamburger Universität.

Typisch für das Singen in Bünden ist, dass viele Jugendbewegte Lieder in ihren eigenen handgeschriebenen Liederbüchern sammeln. Außerdem geben viele Bünde und Stämme eigene Liederbücher in Klein- und Kleinstauflagen heraus.

Bündische Liedermacher

Lieder

Aufgeführt sind hier nur Fahrtenlieder im engeren Sinne, also Lieder, die sowohl oft in den Bünden gesungen werden als auch von Bündischen für diesen Zweck geschrieben wurden.

Quellen

Literatur/Quellen

  • Wolfgang Kaschuba: Volkslied und Volksmythos. Der „Zupfgeigenhansl“ als Lied- und Leitbuch der deutschen Jugendbewegung. Jahrbuch für Volksliedforschung, 34. Jahrg., 1989
  • Wolfgang Lindner: Jugendbewegung als Äußerung lebensideologischer Mentalität. Verlag Dr. Kovac. Hamburg 2003. ISBN 3-8300-0886-4 (kostenloser Volltext)
  • Helmut König: Singen in den Bünden – „Der Zupfgeigenhansl und seine Nachfolger“. PDF
  • Zusammenfassung des Autors von http://www.dornenherz.de/ über seine Erkenntnisse aus seiner Liederbuchsammlung als Grundlage für diesen Artikel

Liederbücher

  • Der Turm. Lieder der Jungen. Herausgegeben von Konrad Schilling, Helmut König, Herbert Hoss. Liederbuch in 10 Teilen. Voggenreiter Verlag. Bad Godesberg
  • Liederbock. Arbeitskreis des VCP Homburg.
  • Schwarzer Adler. Herausgegeben von Thomas Pfeffermann. Deutscher Pfadfinderbund Westmark e.V., Stamm Schwarzer Adler. 1982
  • Bulibu. Deutscher Pfadfinderbund Westmark. Köln 1986
  • Codex Patomomomensis, Herausgegeben von Paul Rode (Momo) und Tim O. Becker (Pato). Zauberwaldverlag. 2007

Weblinks


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