Leiter vs. Führer

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Seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wird in der deutschen Jugendarbeit - und so auch bei den Pfadfinderverbänden - die Diskussion über Leiter vs. Führer geführt. Viele Verbände haben im laufe der Auseinandersetzungen über den damit verbundenen Inhalten die Bezeichnungen ihrer Führer in Leiter verändert (z.B. die DPSG im Jahre 1969). Andere Verbände behalten, gestärkt durch die Diskussion die alten Namen (z.B. der VCP). Es gibt aber auch Stämme, die, ohne die inhaltlich-pädagogische Diskussion über die Bezeichnung Leiter vs. Führer gehalten zu haben, aus Prinzip oder aus Abgrenzung die alte Bezeichnung behalten bzw. bei ihrer Gründung bewußt einführen.


Ursprung der Diskussion

Nach dem 2. Weltkieg wurden die alten Begriffe (Führer, Thing usw.) bei allen Wiedergründungen der Pfadfinderverbände unreflektiert übernommen. Es störte weder die Pfadfinder, noch die Öffentlichkeit, dass der inzwischen negativ belastete Begriff "Führer" verwendet wurde. Denn dieser Begriff stammte noch aus einer Zeit, in der die deutsche Sprache noch nicht durch NS-Begriffe durchsetzt war.

In den 60er Jahren veränderte sich die deutsche Gesellschaft. Der Ruf nach mehr Demokratie, mehr politischem Einfluss und Mitspracherecht wurde lauter. Auch der Wunsch nach mehr Offenheit und Freiheit im Nachkriegsdeutschland trat immer mehr in den Vordergrund. Die erste Nachkriegsgeneration wurde langsam erwachsen und erkannte, dass die NS-Zeit nie richtig aufgearbeitet wurde. Erste Proteste unter Studenten wurden bestärkt als in der zweiten Hälfte der 60er Jahre auch noch eine wirtschaftliche Rezession einsetzte und somit die herrschende Meinung über die kapitalistische Gesellschaft sehr schädigte. All diese Veränderungen gipfelten 1968/69 in den so genannten Studentenunruhen.

All diese Veränderungen machten auch vor der Jugendarbeit nicht halt. Zum ersten Mal nach dem Krieg wurde darüber nachgedacht, ob Konzepte, Satzungen, Ordnungen, Ideen, Strukturen und Bezeichnungen überhaupt noch stimmig waren. Bei den meisten (Pfadfinder-)Verbänden setzte diese Diskussion spätestens Mitte der 60er Jahre ein.

Außerhalb der Jugendarbeit bzw. Pädagogik wurde diese Disskussion nur am Rande geführt. In Unternehmen werden beide Begriffe noch immer synonym verwendet: der Leiter einer Firma ist eine Führungskraft; Der Abteilungsleiter führt eine Abteilung; usw.

Die pädagogische Diskussion

Zu Beginn der 1940er Jahre machten die ersten Wissenschaftler (Lewin, Anderson, Tausch usw.) Untersuchungen über verschiedene Erziehungstile. Bis in die 70er Jahre hielten die Untersuchuchungen an und es kristallisierten sich 4 Dimensionen von Erziehungsstilen heraus:

  • autoritär-dominativer Stil
  • demokratisch-integrativer Stil
  • Laissez-fair Stil
  • überbehüteter Stil

Zunächst gab es keine Bezeichnung der Personen, die einen der geanannten Stile anwendeten. Und natürlich gibt es selten jemanden, der nur einen Stil konsequent verfolgt. Erst durch die Verwendung des Wortes "Führer" durch die Nationalsozialisten wurde der Begriff ausschließlich in Verbindung mit dem autoritär-dominativen Stil gebracht.

Führer als pädagogischer Begriff

Früher wurde fast jede Person, die einer Gruppe vorstand als Führer bezeichnet. Der Begriff Leiter wurde nicht gebraucht. Der Führer verstand sich als "Primus inter pares" - also als "Erster unter Gleichen". Dennoch sahen sich die Führer in der beginnenden Jugendarbeit des 19. Jahrhundert (und bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts) durchaus auch autoritär. Das war ein Spiegel der allgemein vorherrschenden Pädagogik und den Erkenntnissen der Entwicklungspsychologie. Denn diese sah Kindeheit und Jugend (noch) nicht als eigenständige Entwicklungsphase an, sondern als unfertige oder verminderte Erwachsene. Diese Erkenntnis wandelte sich für Kinder im 18. Jahrhundert - doch für Jugendliche erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das wurde zur Grundlage des so genannten Führerprinzips (ein Erwachsener führt die Jugendlichen in die richtige Richtung) in der beginnenden Jugendarbeit: als unfertige Menschen konnten Kinder und Jugendliche gar keine eigene Meinung haben, konnten ihre Wünsche nicht richig formulieren oder Bedürfnisse haben. Sie mussten geführt - zu ihrem Glück gezwungen - werden, weil sie keine Ahnung vom Leben hatten und nur so zu "ganzen" Menschen werden konnten.

Im Zuge der pädagogischen Erkenntnisse - vor allem der Nachkriegszeit - wurde mehr und mehr der Begriff "Führer" als Synonym für den autoritär-dominativen Erziehungstil verstanden. Ausschlaggebend waren die Ergebnisse, dass dieser Stil geprägt ist von:

  • stark ausgeprägter Lenkung und Dirigierung
  • negativer emotionaler Distanz

Auch die weltliche Verwendung des Wortes "Führer" zeigt dies deutlich. Ein touristischer Stadtführer bestimmt für die Gruppe die nächsten Ziele und baut auch keine emotionale Bindung zu seiner Gruppe auf. Auch der Führer eines Fahrzeugs diskutiert nicht zuerst mit dem Fahrzeug über das Ziel und die emotionale Bindung zum KfZ ist eher - wenn überhaupt vorhanden - rein materieller Natur als emotionaler.

Leiter als pädagogischer Begriff

Der Begriff "Leiter" wurde zunächst in der Jugendarbeit nicht verwendet. Er kam erst in der Nachkriegszeit auf, um das Wort "Führer" zu ersetzen.

Im Zuge der pädagogischen Untersuchungen der Erziehungsstile wurde er aber schnell zu einem Synonym für den demokratisch-integrativen Stil. Dieser ist geprägt durch

  • eine geringe Lenkung bzw. Dirigierung
  • eine positive emotionale Bindung

Die Begriffe heute

Heute werden in den verschiedenen Verbänden beide Begriffe - und darüberhinaus noch weitere - verwendet. Auch wenn das Wort Führer verwendet wird, sind die meisten dieser Verbände demokratisch organisiert und der Führer wird als Leiter verstanden. Denn, wie schon eingangs erwähnt, halten einige Verbände an diesem alten Begriff fest, weil er seit der Zeit der Gründung der Pfadfinderschaft verwendet wird. Doch ist es nicht nur Nostalgie, die zur Verwendung (oder Beibehaltung) des Begriffes Führer führt, sondern auch die bewusste Abgrenzung zur übrigen Jugendarbeit, die manchmal als "zu weich" bzw. "zu lasch" verstanden wird. Hier zeigt sich deutlich der Einfluss der Erfahrungen mit dem Laissez-fair-Stil, der den Kindern alles erlaubt, ohne das ein Leiter eingreift.

Synonym zu den Begriffen Leiter und Führer werden noch andere Wörter verwendet, die meist gleich verstanden werden:

  • Teamer - (Mitglied eines (Leitungs-)Teams) meist bei Angeboten einer höhreren Ebene (z.B. Bezirksebene) bei Ausbildungsveranstaltungen verwendet
  • Ausbilder - ähnlich wie Teamer, als Versuch es deutsch auszudrücken
  • Kursleiter - speziell bei vielen Woodbadgekursen für die Leiter verwendet (z.B. bei der DPSG - Fähigkeiten hierzu werden beim so genannten KLT - Kursleitertraining - erworben)

Diese drei Begriffe finden meistens dann verwendung, wenn der Veranstalter und die Leitung von außen kommt, also z.B. nicht aus dem eigenen Stamm.

Ansonsten werden alle Begriffe auch untereinander gemischt: Leitungsteam, Leiterrunde/Leitungsrunde, Führerrunde, Ausbildungsteam, Kursleitungsteam, Ausbildungsleitung, Führungsteam usw.

Quellen

  • Keller/Nowak: Kleines pädagogisches Wörterbuch Freiburg 1984
  • Hobmair: Pädagogik Köln 1994
  • Plischke: 75 Jahre DPSG in Fürth Fürth 2005

Alter Artikel

Führer vs. Leiter ist nur als exemplarisches Lemma gewählt, in diesem Zusammenhang existieren noch andere Begriffe die oft eine ähnliche Bedeutung haben wie z.B. Teamer. Allgemein wird hiermit eine oder mehrer Personen gemeint die die Kinder und Jugendlichen in ihrer persönlichen Entwicklung und leiten sie altersentsprechend dazu an, das Leben in der Gruppe in zunehmendem Maße selbstbestimmt zu gestalten. Auf eine geschlechtsspezifische Auswahl, je nach Gruppenkonfiguration wird im Allgemeinen geachtet. Auf die Aufgabe, eine solche Rolle zu übernemen, sollte diese Personen, in idealster Weise, in irgendeiner Art vorbereitet sein. Nur Vorbereitung ist u.a. als Woodbadge-Ausbildung, { Gibt es noch andere Bezeichnungen dafür? } bekannt.

Alterstrukturen

Wie alt muss man sein? Unterschiede in den Bünden? Rechliche Absicherung?

Wortbedeutungen

Ist führen und Führer wirklich das selbe wie leiten und Leiter? Oder hat sich die Aufgabe der Personen nach einem bestimmten Jahr grundlegend geändert? Leiten manche während andere Führen? Hier erstmal ein paar Wörter die selbiges enhalten wo die Verwendung un- oder gleich ist.

  • Reiseleiter vs. Reiseführer
  • ... {Liste erweitern}

Geschichtliches

Wie Führer ein böses wort geworden ist? Die Zukunft: Führer wird in eine andere Sprach übersetzt um es wieder gut zu machen ~ Guide

Weiterführendes

In der Leiterrunde tauschen sich Leiter über gruppenspezifische Probleme aus, bilden sich weiter und finden Rückhalt. Vereinzelt wird die Gruppe der Leiter auch als weitere Stufe betrachtet.

Weblinks